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eigene Berichte : Als Volunteer bei „Let me be a Child“ – vielseitige und wertvolle Erinnerungen
Geschrieben von admin am 29.06.2015 13:37 (2189 x gelesen)

Als Volunteer bei „Let me be a Child“ – vielseitige und wertvolle Erinnerungen

Erfahrungsbericht von Johanna Meyer über die Zeit bei „Let me be a Child“ von Januar bis April 2015

Der Kontinent Afrika interessierte und faszinierte mich schon lange. Auf dem Weg Lehrerin zu werden überkam mich in der Mitte meines Studiums immer mehr das Bedürfnis, dorthin zu reisen und einmal etwas ganz „anderes“ kennen zu lernen, als alles was ich aus meinem Alltag in Deutschland kenne oder hier kennen lernen könnte. Über Bekannte wurde ich schließlich auf das Projekt „Let me be a Child“ in Äthiopien aufmerksam.
Drei Monate durfte ich Teil dieses Projekts sein und dabei Land und Leute, Kultur und Leben Äthiopiens kennen lernen. Zu Beginn war natürlich wirklich vieles anders und zum Teil sehr gewöhnungsbedürftig für mich. Durch die Hilfsbereitschaft und herzliche Art der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von „Let me be a Child“ konnte ich mich aber schnell orientieren und einleben. Ich habe mich von Beginn an gut aufgehoben, wohl und „zu Hause“ gefühlt. Vor allem die gesellige Art der Äthiopier habe ich während meines Aufenthalts schätzen gelernt. Oft erinnerte ich mich an den Buchtitel „In Afrika war ich nie allein“ und fand mich darin wieder. Weil einige der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von „Let me be a Child“ miteinander verwandt sind, herrscht im Projekt eine sehr familiäre, vertraute und entspannte Atmosphäre.
Mit den Erwachsenen klappte die Verständigung auf Englisch einigermaßen gut, stellte jedoch ab und an auch Schwierigkeiten dar. Teilweise, vor allem mit den Kindern, musste man sich aber tatsächlich „mit Händen und Füßen“ behelfen. Auch die Unterschiede in Mentalität und Gewohnheiten, die auf unsere jeweils unterschiedlichen kulturellen Hintergründe zurückzuführen sind, machten sich natürlich bemerkbar und brachten ab und zu Verständnisschwierigkeiten, Missverständnisse oder Skepsis (vermutlich auf beiden Seiten) mit sich. Diese Hürden zu überwinden, war zunächst eine Herausforderung, letztendlich aber auch kein großes Problem und vor allem eine interessante und lehrreiche Erfahrung für mich. Meist habe ich es als unheimlich spannend und interessant empfunden, diese andere Kultur und Mentalität kennen zu lernen!
Vor allem die Kinder des Projekts habe ich ins Herz geschlossen. Besonders von dem Vertrauen, das Einige mir entgegen brachten, obwohl sie mich erst seit kurzer Zeit kannten, war ich gerührt. Zwar stellte die Sprache eine nicht zu unterschätzende Barriere dar, aber da sein konnte ich für die Kinder trotzdem – einfach bei ihnen sitzen, mitspielen und bei Bedarf auch mal in den Arm nehmen. Oft las ich den Kindern englische Kinderbücher vor und fragte mich dabei anfangs, wie viel sie eigentlich vom Inhalt verstanden und was sie davon hatten, dass ich ihnen in fremder Sprache irgendetwas erzählte. Ich stellte jedoch fest, dass es den Kindern gar nicht so sehr um das Hören und Verstehen einer Geschichte ging, sondern sie es einfach total genossen, dass da jemand ist, der einfach bei ihnen ist und sich mit ihnen beschäftigt. Mit einigen Kindern versuchte ich verstärkt englisch zu sprechen, um ihnen Sprachpraxis zu geben, da ich das Gefühl hatte, dass sie in der Schule nur Grammatik auswendig lernten, aber die Bedeutung dessen nicht erfassen und die Sprache daher kaum anwenden und sprechen konnten. Anfangs hatte ich den Eindruck, dass die Kinder gar keine Lust hatten, sich damit auseinander setzen zu müssen und ihr Nichtkönnen vertuschen wollten. Mit der Zeit merkte ich aber, wie sehr die Kinder irgendwann darin aufgingen, wenn ich mit ihnen in kleinen Grüppchen zusammen saß und wir Englisch übten. Ich bekam den Eindruck, dass sie erst begreifen und sich absichern mussten, dass da jemand ist, der sich Zeit für sie nimmt und sich Mühe gibt, damit sie etwas lernen. Das schien für sie nicht selbstverständlich zu sein. Diese Erfahrung mit den Kindern zu machen, hat mich wirklich sehr berührt.



Ich muss zugeben, dass ich anfangs überrascht war: Die Kinder des Projekts wirkten auf den aller ersten Blick nicht so „arm“, wie ich es erwartet hatte. Es waren nicht die abgemagerten Kinder mit Hungerbauch und flehendem Blick (zugegeben etwas plakativ ausgedrückt), wie sie uns in Deutschland teilweise noch immer von den Plakaten einiger Hilfsorganisationen anschauen, sondern fröhliche, wohlgenährte Kinder und Jugendliche, die Spaß am Leben zu haben schienen. Ich denke, dass „Let me be a Child“ einiges geleistet hat, um den Kindern diese Entwicklung zu ermöglichen! Außerdem habe ich mir nach diesem ersten Eindruck die Frage gestellt, was „arm sein“ eigentlich bedeutet. Schnell merkte ich daraufhin, dass das äußere Erscheinungsbild nicht wirklich widerspiegelt, woran es den Kindern fehlt. Arm oder Elternlos zu sein, wie die Kinder bei „Let me be a Child“, äußert sich nicht nur durch Hunger, kaputte Kleidung oder dem fehlendem Dach über dem Kopf, sondern wirkt sich auf ganz verschiedene Weise auf einen Menschen, vor allem auf Kinder, aus. „Let me be a Child“ versorgt die Kinder natürlich mit lebensnotwendigen Gütern, stellt darüber hinaus aber auch einen Familienersatz für sie dar. Der Name des Projekts scheint Programm! Ich hatte den Eindruck, dass den Kindern durch den Besuch bei „Let me be a Child“ tatsächlich ermöglicht wird „Kinder“ sein zu können: Durch das Miteinander im Projekt teilen sie ihre Sorgen und Ängste und scheinen diese so nicht nur verarbeiten, sondern zum Teil beiseite legen und einfach mal „Kinder sein“ zu können. Sie bekommen die Chance sich mit Dingen zu beschäftigen, mit denen sich Kinder und Jugendliche ihres Alters eben beschäftigen und können durch die Angebote im Projekt ihren je eigenen Charakter entwickeln, stärken und Interessen nachgehen. So hat das Projekt einen wesentlichen Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder, was in meinen Augen mindestens genauso bedeutend ist, wie beispielsweise ausreichende Ernährung. Diese Erkenntnis war für mich die wohl bedeutendste der Zeit in Äthiopien und bei „Let me be a Child“.



Ein Beispiel des Programms von „Let me be a Child“ das mich besonders berührt hat, war der wöchentliche Besuch eines Theaterlehrers, der mit den Kindern Improvisationstheater spielt. Die Kinder überraschten mich dabei sehr mit ihrem großen Einfallsreichtum, gingen in ihren Rollen auf und schienen riesen Spaß am Schauspielern zu haben. Vor allem hatte ich aber den Eindruck, dass sie dabei gemeinsam ihre Schicksale verarbeiteten. In einer Theaterstunde spielten die Kinder (aus eigenem Antrieb) die Geschichte zweier Geschwister, deren Mutter stirbt. Sie weinten während des Stückes, lagen sich in den Armen und zeigten wahnsinnig starke und überzeugende Gefühle, lachten aber sobald das Stück zu Ende war wieder gemeinsam über ihr Spiel. Es schien als könnten sie ihren Gefühlen im Rahmen des Theaterstücks freien Lauf lassen und offen miteinander trauern, diese Gefühle anschließend aber wieder zur Seite legen. Diese Beobachtung hat mich sehr beeindruckt.

Vor allem beschäftigte ich mich während meiner Zeit bei „Let me be a Child“ damit, die sanitären und hygienischen Bedingungen im Projekt auszubessern, half bei der Ausstattung einer Schulbuchsammlung oder widmete mich direkt den Kindern zum Beispiel mit dem erwähnten Englischlernen und Vorlesen oder mit unterschiedlichen Mal- und Bastelangeboten. Sowohl beim Englischlernen und Vorlesen als auch mit jeglichen Spiel- oder Bastelangeboten stieß ich fast immer auf sehr große Begeisterung, Wissensdurst und Neugier seitens der Kinder. Das freute mich natürlich sehr. An einem bestimmten Punkt merkte ich allerdings, wie wenig solcher Angebote an für uns alltäglichen Beschäftigungen die Kinder dort offenbar haben. Das machte mich sehr traurig, da das Fehlen an diesen eigentlich einfachen Angeboten vermutlich einen wesentlichen Anteil an der mangelnden Bildung im Land hat...


Die Kinder sind fleißig und haben Spaß beim Malen


Ein mit den Kindern zusammen selbst gebautes „Tippy Tap“ zum Händewaschen – auch ohne Wasserleitung

Insgesamt war die Zeit bei „Let me be a Child“ sehr beeindruckend und prägend für mich! Ich habe viele Erinnerungen – sowohl schöne als auch erschreckende, vor allem jedoch lehrreiche – mit nach Hause genommen. Ich habe nicht nur viel über das Land und die vielfältigen Kulturen Äthiopiens gelernt, sondern auch einiges über mich selbst. Mein Weltbild hat sich in dieser Zeit, so stelle ich nun zurück in Deutschland fest, was gewisse Dinge betrifft sehr verändert. Über Fragen danach, was im Leben wirklich wichtig ist oder was „Armut“ tatsächlich bedeutet, denke ich nun sicherlich anders als noch vor ein paar Monaten. Vor allem habe ich gelernt wertzuschätzen, welche Möglichkeiten und Chancen ich in meinem Leben dadurch habe, dass ich in Deutschland geboren und aufgewachsen bin und wie viel einfacher mein Leben in vielerlei Hinsicht ist. Als angehende Lehrerin beschäftigt mich besonders der Wert von Bildung: Mir ist durch meinen Aufenthalt in Addis Abeba sehr deutlich geworden, wie wichtig Bildung und dafür ausreichende Lernangebote sind und wie erschreckend wenig selbstverständlich sie für einige Kinder vorhanden sind.
„Let me be a Child“ ist in meinen Augen ein tolles Projekt, das Großartiges geleistet hat und hoffentlich auch in Zukunft leisten wird. Vielen Menschen, Kindern und Mitarbeitern, werden durch das Projekt Chancen gegeben, die ihnen nicht nur einfach das Überleben ermöglichen oder erleichtern, sondern ihre Persönlichkeitsentwicklung unterstützen. Vor allem fand ich es sehr schön und beruhigend zu sehen, dass die Spenden des Vereins hier offenbar wirklich direkt bei den Kindern landen und nicht durch irgendwelche Verwaltungsausgaben oder Ähnliches abhanden kommen.
Ich möchte mich bei allen Projektmitarbeitern und -Mitarbeiterinnen und vor allem auch den Kindern für die tolle gemeinsame Zeit, die Hilfe und Freundschaft sowie die Eindrücke und die Erfahrungen, die ich mitgenommen habe, bedanken! Ich hoffe, dass ich genauso etwas geben und dalassen konnte, wie ich bekommen habe!

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